SEXOLOGISCHE PROBLEME


Inhalt:

1. Störungen der sexuellen Funktion
2. Probleme mit den Identitäten
3. Paraphilien


Es gibt eine grosse Vielfalt ganz unterschiedlicher Probleme im sexuellen Bereich, die ich nachfolgend unter dem Begriff sexologische Probleme zusammenfasse.
Es sind die Störungen der sexuellen Funktion, die Störung der sexuellen Identität und der Geschlechtsidentität sowie die aussergewöhnlichen sexuellen Vorlieben (Paraphilien, früher Perversionen genannt). Die Störungen der sexuellen Funktion können rein psychisch oder rein körperlich verursacht oder durch Medikamente oder Drogen mitbedingt sein. Oft sind die Probleme gleichermassen psychisch und körperlich verursacht. Sie sind im eigentlichen Sinne also psycho-somatische Probleme. Vor einer Behandlung muss die Verursachung jeweils genau abgeklärt werden. Daraus leitet sich ab, ob die Behandlung rein psychologisch mit speziellen psychotherapeutischen Verfahren erfolgen soll, ob eine medizinische Behandlung oder ob eine Kombination von beiden angezeigt ist.

Ich habe praktische Erfahrung in der psychotherapeutischen Behandlung derjenigen sexologischen Probleme, die ich nachfolgend aufführen werde. Die psychotherapeutische Behandlung erfolgt vorwiegend durch spezielle Verfahren in Einzelgesprächen. Bei den Störungen der sexuellen Funktion in einer bestehenden heterosexuellen oder homosexuellen Paarbeziehung ist möglicherweise eine Sexualpsychotherapie mit dem Paar die optimalere und schnellere Behandlungsart. Manchmal ist es auch sinnvoll, dem Paar Übungen (sog. Streichelübungen) zu verschreiben, die das Paar zu Hause durchführt und danach in der Stunde darüber berichtet. In der Therapiestunde selbst wende ich keine Körpertechniken direkt an. Es ist in den Sexualtherapien also nicht notwendig, dass der Psychotherapeut den Körper des Patienten oder der Patientin berührt. Bei Sexualtherapien werden keine Körperübungen in der Praxis durchgeführt.




1. Störungen der sexuellen Funktion


Die Symptome der Störung können sich in unterschiedlicher Weise und in verschiedenen Bereichen zeigen:
als Reaktionen im Körper (Verspannung, Schmerzen u.a.), als körperliche Reaktionen in den Geschlechtsorgane, als Körperempfindung; als Gefühl, Affekt oder als Stimmung; als Konflikt in der Beziehung.



STÖRUNGEN DES EMPFINDENS BEI MANN + FRAU

Störung der Lust: wenig oder kein sexuelles Lustempfinden, Unlust, kaum Bedürfnis nach sexueller Erregung und Befriedigung, Sexualität in der Paarbeziehung wird vermieden, Empfinden von sexueller Langeweile und sexuellem Desinteresse.

Störung der Erregung: die innere sexuelle Erregung ist nicht oder nur wenig spürbar, auch wenn der Penis oder die Klitoris ("Kitzler") anschwellen. Die Erregung steigert sich nur unbefriedigend während dem sexuellen Zusammensein oder die Erregung bricht ohne äusseren Grund plötzlich ab.

Sexuelle Aversion: mit Abneigungsgefühlen und Ekel verbundene Ablehnung der Sexualität als Ganzes oder Ablehnung von einzelnen Handlungen; Abneigung oder Ekel vor dem Körper und seinen Funktionen, vor Gerüchen und vor Körperflüssigkeiten des Partners oder der Partnerin oder vor seinen eigenen. Abneigungsreaktionen, Ekelgefühl und Vermeidung als Folge.

Sexuelle Sucht liegt dann vor, wenn etwas als zwingend erlebt wird und man die Wahlmöglichkeit verloren hat, es zu tun oder zu lassen. Man muss es immer wieder tun, oft, man fühlt sich dem Zwang ausgeliefert, was auch als bedrohlich empfunden werden kann. Der Zwang ist durch den Verlust von Kontrolle gekennzeichnet und engt die Sexualität immer mehr ein. Der Übergang von "normalem Verhalten" zu zwanghaftem Verhalten ist fliessend. Häufige Beispiele: Zwang zur Selbstbefriedigung, zu zwanghaftem Konsum von Pornografie, ultimative Notwendigkeit zu einer sexuellen Handlung. Alle üblichen Handlungen und Bedürfnisse im Sexuellen können unter Umständen zwanghaft werden.



STÖRUNGEN DER SEXUELLEN FUNKTION BEIM MANN, DIE PSYCHISCH BEDINGT SEIN KÖNNEN

Störung der Erektion (Gliedversteifung): eine gewisse Versteifung entsteht, sie ist aber ungenügend stark und geht wieder zurück, oder trotz erotischer und sexueller Stimulation entsteht gar keine befriedigende Versteifung des Penis (vielfach wird diese Störung als Impotenz bezeichnet).

Vorzeitiger Samenerguss (Ejakulation, "Abspritzen"): Der Samenerguss kommt immer oder oft schon vor dem Einführen oder kurz danach, d.h. innerhalb von weniger als 20 Sekunden. Wenn der Samenerguss nach einer Minute oder später erfolgt, kann das zwar etwas kurz empfunden werden, ist aber nicht Ausdruck einer sexuellen Störung, die therapiert werden muss!

Ausbleibender Samenerguss: trotz ausgedehnter sexueller Stimulation erfolgt kein Samenerguss, was ermüdend oder schmerzhaft sein kann. Trotzdem kann der Mann dabei ein Orgasmusgefühl haben! Ejakulation und Orgasmus sind eben zwei verschiedene Dinge, die voneinander unabhängig erfahren werden können!

Orgasmusstörung: trotz guter Steigerung der Erregung mit anschliessendem Samenerguss fehlt das intensive Orgasmusgefühl und das Gefühl, befriedigt zu sein (einer meiner Patienten sagte dies so: "es fliesst bei mir heraus wie ein warmes Wässerchen...")

Schmerzen bei sexuellen Aktivitäten (Dyspareunie): Schmerzen an der Eichel, im Penis oder im Beckenboden, die wiederholt während oder nach dem Sex auftreten.



STÖRUNGEN DER SEXUELLEN FUNKTION BEI DER FRAU, DIE PSYCHISCH BEDINGT SEIN KÖNNEN

Vaginismus ("Scheidenkrampf" ist ein schlechter Begriff, denn es ist nicht ein eigentlicher "Krampf"): starke Empfindlichkeit des Scheideneingangs gegenüber Berührung oder Einführen von Finger, Penis oder beim gynäkologischen Untersuch. Das Einführen des Penis in die Scheide ist sehr unangenehm, schmerzhaft oder gar nicht möglich. Oft verbunden mit Angst und mit dem Bedürfnis, den Geschlechtsverkehr zu vermeiden.

Schmerzhafter Geschlechtsverkehr (Dyspareunie), der psychisch bedingt ist. Daneben gibt es auch verschiedene körperliche Ursachen für die Schmerzen in der Scheide.
Zu wenig Scheideflüssigkeit während der sexuellen Erregung (Lubrikation) kann Ausdruck einer inneren Spannung, von Angst oder Unsicherheit oder durch ein körperliches Problem bedingt sein.

Orgasmusstörung: trotz guter Fähigkeit, die Steigerung der Erregung zu erleben, bleibt das Orgasmusgefühl aus oder es ist schwach und unbefriedigend. Eine Orgasmusstörung liegt dann vor, wenn eine psychische oder körperliche Orgasmusreaktion durch keine Art der sexuellen Stimulation erfahren werden kann, auch durch Selbststimulation nicht.
Übrigens - ein fehlender Orgasmus bei der Frau während des sexuellen Zusammenseins mit einem anderen Menschen ist nicht zwingend Ausdruck einer Störung. Ist das erotische Empfinden positiv und lustvoll, sind Scheidenlippen und Klitoris angeschwellt und die Scheide recht feucht, und trotzdem bleibt der Orgasmus aus, dann sollte nicht von einer Störung, sondern eher von einer Variante der weiblichen Sexualität gesprochen werden.




2. Probleme mit den Identitäten


WEIBLICHKEIT UND MÄNNLICHKEIT

Eine tiefer liegende allgemeine Unsicherheit oder Minderwertigkeit kann dazu führen, dass ein Mann sich unmännlich, eine Frau sich unweiblich fühlt. Jede Gesellschaft baut Vorstellungen und Normen auf, was unter männlich und weiblich zu begreifen sei. Diese Auffassungen sind zumeist ziemlich eng und rigid. Dies aber schafft unnötige Unsicherheiten und Probleme bei einzelnen Menschen.


PROBLEME BEI HETEROSEXUALITÄT, BISEXUALITÄT, HOMOSEXUALITÄT UND BEIM COMING-OUT

In unserer gesellschaftlich bestimmten Vorstellung gehört Heterosexualität zur normalen sexuellen Orientierung. Bi- und Homosexualität dagegen werden zwar weniger oder mehr toleriert, beide Orientierungen sind aber noch weit davon entfernt, akzeptiert zu werden. Dieser Umstand führt bei bisexuell und homosexuell Empfindenden zu unnötigen Identitätsproblemen und zu Unzufriedenheit darüber, wer man ist; dies wiederum führt zu Ängsten und Unsicherheiten, Depressionen u.a.m., die therapiert werden müssen.
Aus sexologischer, psychologischer und auch aus ethischer Sicht gibt es keinen Grund, Homosexualität, Bisexualität oder Heterosexualität als nicht oder nicht ganz "normal" aufzufassen.
Eine dieser drei sexuellen Orientierungen gehört zum tief verankerten Identitätskern jedes Menschen. Daher kann die sexuelle Orientierung durch keine Psychotherapie oder durch keine manipulative Einwirkung verändert werden. Und das soll auch niemals versucht werden! Wenn ein/e BeraterIn oder ein/e TherapeutIn die sexuelle Orientierung des Klienten oder der Klientin nicht akzeptiert, handelt er oder sie zutiefst menschenunwürdig und unethisch.


PROBLEME MIT DER GESCHLECHTSIDENTITÄT: TRANSSEXUALISMUS, TRANSVESTITISMUS

Unter Transsexualismus versteht man den tief verankerten Wunsch eines biologischen Mannes, eine Frau zu sein oder den Wunsch einer biologischen Frau, ein Mann zu sein.
Dagegen versteht man unter Transvestitismus den starken Drang, sich in den Kleidern und in der Rolle des anderen Geschlechts zu zeigen.




3. Paraphilien


Unter Paraphilie versteht die Sexologie jene sexuellen Verhaltensweisen, Beziehungen und Betätigungen, die von dem abweichen, was in einer Gesellschaft als normal aufgefasst wird. Betroffene werden wegen solcher Handlungen u.U. gesetzlich bestraft.

- Pädophilie, Pädosexualität
- Fetischismus, Voyeurismus, Exhibitionismus
- Sadismus, Masochismus
- sexuelle Gewalt

Obwohl diese sexuellen Neigungen in der Gruppe Paraphilie zusammengefasst sind, haben die einzeln beschriebenen Neigungen psychologisch gesehen kaum etwas miteinander gemeinsam, ausser eben dies, dass sie rechtlich geahndet werden.
Die pädophile und die pädosexuelle Orientierung, die fetischistische, voyeuristische, exhibitionistische und sadomasochistische Neigung sind Ausdruck einer erotischen Identität, die ganz eng und tief in der Persönlichkeit des jeweiligen Menschen verwurzelt ist. Die Ursachen dafür sind noch weitgehend unbekannt. Wir wissen jedoch, dass sich die Grundlage dazu in der frühen Kindheit bildet, wofür der Betroffene nichts kann. Sicher ist auch, dass es nicht Fehler in der Erziehung sind, die die Entwicklung einer Paraphilie in die Wege leiten.
Die sexuelle Gewalt hingegen begreifen wir nicht primär als ein sexuelles Problem, sondern als ein Macht- und Gewaltproblem.



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